Heute Morgen konnten wir endlich ein bisschen länger schlafen – bis 8 Uhr. Danach haben wir uns fertig gemacht und sind gegen 8:30 Uhr zum Frühstück gegangen. Es war wieder ziemlich unruhig, aber man merkt, dass sich alles langsam einspielt. Inzwischen weiß man, wo man sich am besten anstellt, damit man schneller ans Buffet kommt.
Nach dem Frühstück wollten wir eigentlich gleich zur Spielvorbereitung, aber Oma Elke blieb noch eine Weile im Gespräch mit Markus und Lilian Schirmbeck, die ebenfalls mit der deutschen Delegation hier sind. So kamen wir erst gegen 9:15 Uhr zu Philipps morgentlichem Vorgespräch. Philipp Müller ist ein super Coach – ruhig, konzentriert und immer mit einem hilfreichen Tipp parat. Er erklärte uns noch einmal, worauf wir achten sollten und wie man gut in das erste Spiel startet.
Danach hatten wir etwas Freizeit, und so sind wir bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen 20 Grad an der Promenade entlang spaziert. Die Bucht von Budva ist wirklich schön, und ich konnte mir zum ersten Mal in Ruhe das große Spielzelt anschauen, in dem ich die nächsten neun Tage um Punkte kämpfen werde. Allein der Gedanke daran hat mir ein bisschen Herzklopfen gemacht.
Gegen 12:30 Uhr gingen wir zum Mittagessen. Eigentlich ist es egal, wann man geht – draußen steht immer eine lange Schlange. Kaum hat man gegessen, bildet sich die nächste vor dem Zelt, in dem gespielt wird. Dort herrscht dann richtiges Turnierchaos: aufgeregte Spieler, Eltern, Trainer aus allen möglichen Ländern – alle reden durcheinander, überall Sprachen, Schachbretter und Namensschilder.
Meine erste Partie war gleich ein Hammerlos: Ich durfte gegen Luca Protopopescu aus Frankreich spielen, einen Kandidatenmeister mit fast 2200 Elo, der auf der Setzliste Platz 2 von 135 Teilnehmern belegt.
Ich war ziemlich nervös, aber auch neugierig, wie groß der Unterschied zwischen uns wirklich ist.
Anfangs lief es richtig gut – ich stand stabil, ließ mich nicht von seinem schnellen Spieltempo beeindrucken und fand in der Eröffnung sogar ein paar eigene Ideen. In der Mittelspielphase war die Stellung völlig ausgeglichen, und Philipp meinte später, dass ich zeitweise sogar minimal angenehmer stand.
Doch dann machte ich in der Phase ab dem 40. Zug ein paar ungenaue Entscheidungen. In einem langen Endspiel konnte Luca seine Routine zeigen und verwandelte den kleinen Vorteil souverän in einen Sieg. Nach knapp vier Stunden Spielzeit musste ich aufgeben – verdient für ihn, aber kein schlechtes Spiel von mir.
Philipp und Jan (ein anderer Spieler aus der deutschen Delegation) schauten sich mit mir später die Partie an. Auch zwei Mädchen aus dem Team kamen dazu, und wir diskutierten, wo ich etwas anderes hätte probieren können. Es war total spannend zu sehen, dass ich über weite Strecken auf Augenhöhe mit einem 2200er gespielt hatte.
Nach dem Abendessen gingen Oma und ich noch kurz an die frische Luft. Ich war müde, aber zufrieden – mit meiner Leistung, meinem Mut und der Erkenntnis, dass ich hier mithalten kann. Morgen wartet schon die nächste Runde, und ich freue mich darauf, wieder anzugreifen!
Fortsetzung folgt …
Euer
Jonathan Luis
Link zur Partie: Lichess