Eigentlich sollte mein erstes Oktoberwochenende ganz anders laufen. Ich wollte vom 3. bis 5. Oktober den Chess Cup in Itzehoe spielen und das Wochenende gemütlich bei meiner Oma verbringen. Doch am 2. Oktober, mitten im Schulunterricht, änderte sich plötzlich alles.

Gegen 13:30 Uhr bekam mein Papa einen Anruf von der Hamburger Delegationsleitung: Ein Spieler der zweiten Mannschaft war kurzfristig krank geworden – und sie suchten dringend Ersatz. Ich stand zwar nur auf der Nachrückerliste, aber jetzt hieß es: „Jonathan, kannst du einspringen?“

Mein Papa sagte spontan zu, sagte Itzehoe ab, packte Koffer und klärte alles mit der Schule. Als ich um 15:30 Uhr aus der Schule kam, war keine Zeit mehr zum Überlegen – ich behielt meine Schuhe an, wir packten das Nötigste in den Rucksack und fuhren zu dritt direkt zum Hauptbahnhof.

Ehrlich gesagt, wollte ich erst gar nicht mit. Ich hatte mich auf das Wochenende bei Oma gefreut und fühlte mich etwas überrumpelt. Aber auf dem Weg zum Zug wurde meine Stimmung besser. Und so kam es, dass ich – völlig ungeplant – bei der Deutschen Ländermeisterschaft 2025 in Oer-Erkenschwick mitspielen durfte.

Das Turnier

Insgesamt nahmen 18 Mannschaften aus ganz Deutschland teil. Jede Mannschaft bestand aus 8 Spielern, also 4 Mädchen und 4 Jungs – jeweils aus den Altersklassen U12, U14, U16 und U18. Ich spielte für Hamburg II an Brett 5.

Gespielt wurden 7 Runden im klassischen Modus:
90 Minuten + 30 Minuten nach 40 Zügen + 30 Sekunden pro Zug ab Beginn (Fischer-Modus).

Es war mein erstes so großes Mannschaftsturnier auf nationaler Ebene, und ich wusste, dass es schwer werden würde. Aber dass es so schwer werden würde, hätte ich nicht gedacht.

Höhen, Tiefen und schlaflose Nächte

Meine erste Partie gegen einen Gegner mit 1834 DWZ lief richtig ordentlich – nach langem Kampf erreichte ich Remis. Ein gelungener Start, dachte ich.
Aber dann ging’s bergab. In der zweiten Runde verlor ich gegen 1859 DWZ, in der dritten Runde wartete unser eigenes Team – Hamburg I. Ich musste gegen Ivan (DWZ 1931) ran, und nach nur 14 Zügen war die Partie vorbei. Ich war in eine Falle kurz nach der Eröffnung getappt – so etwas passiert mir sonst selten.

Ab da fiel es mir schwer, die Motivation hochzuhalten. Besonders, weil ich in einem Zimmer mit vier älteren Spielern untergebracht war. Nachts war bis nach 23 Uhr Halligalli, und ich konnte kaum schlafen.

In der vierten Runde hatte ich eine aussichtsreiche Stellung gegen 1718 DWZ – zwei Türme gegen eine Dame, Engine-Bewertung +1,4. Und dann passierte etwas, was mir noch nie passiert war: Ich rechnete zu lange, übersah, dass ich im Schach stand, und machte einen ungültigen Zug. Das führte dazu, dass mein einziger legaler Zug ein Turmeinsteller war. Aus einer vielversprechenden Stellung wurde eine bittere Niederlage.

In Runde 5 (gegen 1955 DWZ) stand es lange ausgeglichen, bis ich kurz vor Schluss meinen Turm einzügig einstellte. Wieder verloren. Ich wollte einfach nur, dass das Turnier vorbei war. Runde 6 ging erneut verloren, und in der letzten Runde gegen 1637 DWZ hatte ich wenigstens noch einmal Hoffnung. Doch obwohl ich am Ende Chancen hatte, ließ ich ein Dauerschach zu – wieder nur Remis.

So stand ich am Ende mit 2 Remis und 5 Niederlagen da, also 1 Punkt aus 7 Partien.

Durchwachsenes Fazit

Ich war ehrlich gesagt enttäuscht. Ich hatte gehofft, dem Team helfen zu können – aber das Gegenteil war der Fall. Rückblickend denke ich, dass es vielleicht keine gute Entscheidung war, so kurzfristig einzuspringen. Ich war nicht vorbereitet, nicht ausgeschlafen, und auch mental nicht wirklich bereit.

Trotzdem war es natürlich eine besondere Erfahrung, Teil der Hamburger Delegation zu sein. Ich konnte wieder sehen, wie stark das Niveau auf Bundesebene ist, und habe gespürt, woran ich noch arbeiten muss.

Meine DWZ fiel danach von meinem bisherigen Höchstwert 1778 auf 1642 – ein echter Rückschlag. Aber so ist Schach: Es gibt Phasen, in denen alles klappt, und Phasen, in denen man einfach lernen muss, mit Niederlagen umzugehen.

Ausblick

Ich habe aus der DLM viel mitgenommen – vor allem die Erkenntnis, dass Vorbereitung, Schlaf und Ruhe enorm wichtig sind. Und dass man manchmal lieber eine Pause machen sollte, statt überhastet in ein Turnier zu gehen.

Jetzt heißt es, den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern aus den Fehlern zu lernen. Schon bald folgen wieder neue Turniere – und dort möchte ich zeigen, dass ich es besser kann.

Auch wenn Oer-Erkenschwick für mich kein sportliches Highlight war, war es doch ein Stück Schacherfahrung, das mich langfristig stärker machen wird.

Euer
Jonathan Luis